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Kunst und Verantwortung

Das Institut plant in Absprache mit dem Kulturreferat der Stadt Nürnberg eine Fachtagung |THINK TANK| auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände in Nürnberg zur Erstellung von Konzeptionen für konkrete künstlerische Setzungen.

„Kunst vermag emotionale und visuelle Zugänge auch zu dem Thema Nationalsozialismus zu eröffnen, die der nüchternen Geschichtswissenschaft verschlossen sind. Diese ist – als Korrektiv gegen Legendenbildungen aller Art, Relativierungen und zur Gewinnung seriös belegbarer Erkenntnisse über Ursachen und Hintergründe – notwendig. Wenn beide Disziplinen sich gelegentlich über diese Thematik austauschen, kann dies der Sache förderlich sein.“ (Das Gelände/Kunsthalle Nürnberg, Kunst auf dem ehemaligen
Reichsparteitagsgelände, Eckhart Dietzfelbinger, Mitarbeiter des Dokumentationszentrums RPTG)

„Die unauflösbaren Widersprüche des Geländes sind als Herausforderung anzunehmen und durch temporäre, künstlerische-kulturelle Projekte zu thematisieren. Eine Art historisch-politische Documenta sollte entstehen.“ (Aus einem Vortrag von Ulrich Maly, 2003)

„Die Bedeutung des Ortes als ‚nationales Erbe’ erfordert eine künstlerische Auseinandersetzung mit internationaler Beteiligung. Grundprinzip dieser ‚Kontrapunkte’ zum historischen Erbe soll sein, mit einer anderen Sprache auf Inhalte und Ausdrucksformen der NS-Zeit zu reagieren als sie die früheren Urheber pflegten. Als Antwort auf die auf
‚tausend Jahre’ angelegte NS-Architektur samt ihrer intendierten Ideologie sind weder Mystifizierung noch Monumentalisierung angebracht. Dem totalitären System der Bauherren und ihrer Architektur setzt Nürnberg das demokratisch-pluralistische Denken der Gegenwart entgegen. Die angestrebten künstlerischen Auseinandersetzungen sind deshalb dezidiert als ‚temporäre Lösungen’ zu sehen, die keineswegs für die ‚Ewigkeit’ geschaffen werden. Der freie Raum soll nicht ‚musealisiert’ werden.“ (Das Gelände/Kunsthalle Nürnberg, Einstimmiger Beschluß des Stadtrates der Stadt Nürnberg vom 19.05.2004)

Mit diesen drei Zitaten aus einer langjährigen Diskussion zum Thema „Umgang mit dem ehemaligen Nürnberger Reichsparteitagsgelände“ ist das Wesentliche eigentlich schon gesagt.
Dennoch möchten wir uns und unser Projekt im folgenden etwas ausführlicher darstellen: 


Wir wollen mit Kunstaktionen auf dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände uns der mit diesem Gelände verbundenen historischen Verantwortung stellen und  – wie auch in den Richtlinien der Stadt Nürnberg von 2004 gewünscht wird – in zweijährigem Turnus eine internationale künstlerische Ausstellung mit historischem Tiefgang organisieren.

Im Folgenden ein paar Gedanken zu diesem Projekt: 

   
     

Nürnberg und der Nationalsozialismus

Nürnberg war Symbolträger wie Hochburg des Nationalsozialismus und - wie jüngste Forschungen dokumentieren - zumindest ab Ende 1923 die Hauptstadt der nationalsozialistischen Bewegung in der Weimarer Republik (und nicht etwa München, wie häufig behauptet wird). Schon Ende 1918 und Anfang 1919 warnte die Staatspolizei in ihren Monatsberichten von einer „pogromartigen Stimmung“ in Nürnberg, denn die hiesigen Juden wurden für alle Miseren verantwortlich gemacht - und alles, was den konservativen und völkischen Kräften als bedrohlich erschien: Egal ob Erster Weltkrieg, Niederlage, Kapitulation, „Schandfrieden von Versailles“, Räterevolution, Republik, hinter all diesen historischen Ereignissen wurde „der Jude“ vermutet. Zu den ersten pogromartigen Ausschreitungen kam es dann Ende 1923, als Julius Streicher mit seinem Hetzblatt „Der Stürmer“ gegen die jüdische Bevölkerung zu agitieren begonnen hatte und der neuernannte völkische Polizeipräsident Heinrich Gareis Nationalsozialisten zu „Notpolizisten“ vereidigte.
Diese verstanden die Auszeichnung als Aufforderung, sich wie eine Soldateska zu gebärden,
führten Wohnungsdurchsuchungen bei Juden durch, errichteten Kontrollpunkte auf Strassen und misshandelten jüdische Nürnberger in aller Öffentlichkeit. Gefördert wurde das antisemitische Klima in Nürnberg auch durch die Haltung der Kirche und dem konservativen Massenblatt „Der Fränkische Kurier“, das frühzeitig auf nationalsozialistischen Kurs einschwenkte. Und weil die organisierte Arbeiterschaft dem braunen Treiben viel zu lange tatenlos zusah, beherrschten die Nazis in Nürnberg das öffentliche Leben und die jüdische Minderheit stand zusammen mit einigen couragierten Einzelpersonen wie dem Oberbürgermeister Hermann Luppe ziemlich schutzlos dem antisemitischen Treiben gegenüber. Erst gegen Ende der Weimarer Republik bekamen es die Nationalsozialisten mit ernsthaftem gesellschaftlichem Widerstand zu tun.

Das braune Klima und der völkische Polizeipräsident waren auch wichtige Faktoren dafür, dass Hitler Nürnberg zur Stadt der Reichsparteitage machte und nach 1933 auf dem Zeppelinfeld mit der Umsetzung des gigantomanischen Reichsparteitagsgeländes begann, das, obwohl wegen des Krieges unvollendet geblieben, noch heute das größte nationalsozialistische Bauwerk darstellt. 1935 wurden in Nürnberg auf dem sarkastischer Weise „Reichsparteitag der Freiheit“ genannten Konvent die „Rassengesetze“ verabschiedet, mit denen die Nazis ihre antisemitische Ideologie juristisch umsetzten und die 500.000 deutsche Juden zu minderwertigen „artfremden“ Wesen stempelten. Die Reichspogromnacht im November 1938 wurde in Nürnberg so grausam durchgeführt wie in keiner anderen deutschen Stadt. Rund 30 Tote waren das Resultat dieser von Goebbels organisierten Gewalttaten und Morde. Diese Blutnacht stellt den Übergang von Verfolgung und Diskriminierung hin zu einer systematischen Vernichtung der europäischen Juden dar. Darunter wurden 2.500 Nürnberger Juden Opfer der Shoa.

Nicht umsonst wählten die alliierten Siegermächte 1945 Nürnberg zum Ort der Kriegsverbrecherprozesse aus und nicht von ungefähr führte eine Gruppe jüdischer Überlebender im April 1946 eine Racheaktion gegen ein Nazi-Straflager in Nürnberg-Langwasser durch.

   
           
     

Erinnerungskultur in Deutschland nach 1945

Blinder Fleck 1945

Das Kriegsende 1945 markierte für die Mehrzahl der damals lebenden Deutschen einen blinden Fleck in ihrer individuellen Erinnerungsgeschichte. Ursache hierfür war der plötzliche Wandel der Werte, der durch das Ende des Krieges die gesamte Gesellschaft durchzog. Wer noch kurz zuvor für den Endsieg gekämpft hatte, war mit der totalen Niederlage konfrontiert. Die deutsche Gesellschaft, die den Sieg der „Herrenrasse“ über alles gestellt hatte, verfiel mit der bedingungslosen Kapitulation und dem Abtreten Hitlers in eine Agonie, in der das Wahrnehmen des eigenen Zustandes sowie der kritischen Reflexion der Vergangenheit schwerfiel. Die faschistischen Identifikationssymbole, nun von dem übersteigerten mystifizierten Schein entledigt, verkörperten nur noch Schrecken und Schande. Die allerwenigsten nahmen diese Situation als Befreiung wahr. Den einzigen Ausweg bot deshalb bei der Bevölkerungsmehrheit der starre Blick nach vorn in eine noch nicht mit sicheren Bildern und Symbolen besetzte bessere Zukunft. Die Hoffnung darauf erkaufte man sich mit dem Vergessen und Verschweigen der eigenen Rolle im alten System. Die abgelehnte Schuld führte zu Scham und Schamabwehr und verursachte eine lähmende Leerstelle im politischen Gedächtnis der Nachkriegszeit.

Das Ende des Schweigens

Bis zum Ende der 40er Jahre entstand eine Mauer des Schweigens mit kollektiven Strategien kommunikativen Beschweigens. Die Trauer und Sorge galt den eigenen Toten, Kriegsgefangenen, Vermissten und Vertriebenen. Dieses selektive Gedenken versuchte die NS –Untaten zu relativieren. Die Restgesellschaft der ehemaligen Volksgemeinschaft beschäftigte sich in den 50iger Jahren nur noch mit sich selbst, in dem sie in ihrer Rolle an der jüngsten Vergangenheit, den Mord an den Juden und anderen Bevölkerungsgruppen ausblendete und sich vornehmlich als Opfer von Vertreibung und Bombenangriffen begriff. Diese Sicht ist anschaulich in den politischen Debatten und Medien dieser Zeit dokumentiert.

In den sechziger Jahren gab es mit zwei großen Ausstellungen ein erstes Bemühen, jüdische Vergangenheit ins Bewusstsein zurück zu rufen. Diese waren „Synagoga“ in Frankfurt (1960/61)  und „Monumenta Judaica – 2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein“ in Köln (1963/64). Wichtiger noch waren der Prozess gegen Adolph Eichmann 1961 in Jerusalem  und die drei Auschwitzprozesse von 1963-69 für eine Sensibilisierung der Öffentlichkeit. Vorangetrieben durch die Opferverbände, doch erst befördert durch den beginnenden Generationswechsel, die kulturelle Revolution der 68er-Bewegung und die damit verbundenen öffentlichen Kontroversen begann in der Folgezeit in der Bundesrepublik der Aufbau musealer Einrichtungen in den ehemaligen Konzentrationslagern. Dieser Umbau der Täterorte in Gedenkstätten wurde in der bundesdeutschen Öffentlichkeit kontrovers aufgenommen und konnte oft nur gegen erhebliche Widerstände der lokalen Behörden und Anwohner durchgesetzt werden. Der Versuch einer kritischen Aufarbeitung der Vergangenheit wurde noch bis in die achtziger Jahre weitgehend durch eine Mauer des Schweigens behindert. Erst 1979, mit dem Ausstrahlen der vierteiligen US-Spielfilmserie „Holocaust“ kehrte die Verfolgung und Vernichtung der europäischen Juden zurück in die öffentliche gesellschaftliche Debatte. Es erfolgte eine unerwartet ausführliche Beschäftigung mit dem Völkermord an den europäischen Juden, bei dem fast alle Teile der deutschen Bevölkerung involviert waren. Die Resonanz der Serie begründete auch den Begriff  des „Holocaust“ für diesen Genozid, für den es davor nur undeutliche Umschreibungen gegeben hatte.

Generationen und ihre Lasten - individ. und soziales Gedächtnis

Die fehlenden Antworten für das „Warum und Wie war es möglich?“ führten in den 60iger Jahren zu einem Bedürfnis  vor allem der nachgeborenen Generation, die nicht verarbeitete Schuld der Eltern zu hinterfragen. Der Widerspruch zwischen den noch großteils  vorhandenen alten postnazistischen Werte im Elternhaus, Schule und Universität und neuen, progressiven Idealen und Bewegungen bildete den Kern des „Generationenkonfliktes“. 

Der Kampf um das physische Überleben und die Traumata, den der Naziterror bei den in der Bundesrepublik gebliebenen überlebenden Juden und anderer Opfer hinterlassen hatte, bewirkte auch hier eine Schonfrist des Schweigens. Diejenigen, die sich schon früh mitteilen mussten, um weiterleben zu können, wurden nicht gehört, weil auch für die nächsten Angehörigen die Last der Vergangenheit zu groß war. Es war eine doppelte Mauer des Schweigens, die eigene und die im Gegenüber. Erst in den 80iger Jahren entstand durch den zeitlichen Druck der verschwindenden Zeitzeugen der Generation der Überlebenden der Zwang, die Erinnerungen mitzuteilen und das Unsagbare und Unfassbare vor dem endgültigen Vergessen zu bewahren. So kam es zur Sammlung von Tonbandaufnahmen und Publikationen, die in verschiedenen Archiven weltweit Einlass fanden und damit ein  kollektives Gedächtnis begründeten. Seit den 1990ern entstanden Jüdische Museen, Dokumentationszentren, Gedenkorte wie das Holocaustmahnmal in Berlin. Auch der „vergessenen“ Opfern wie z. B. der durch „Euthanasie“ Ermordeten, den Roma und Sinti oder den Homosexuellen wird seit den 80iger Jahren stärker gedacht. Die Form des Erinnerns durch biographische Ausstellungen und Lebensgeschichten gibt den Verfolgten und Ermordeten Individualität und Würde, ihr menschliches Antlitz.

Asymmetrien der Erinnerung

Während die Erinnerung an die Opfer des Holocaust fest im kollektiven Gedächtnis verankert ist, gibt es nach wie vor kaum Erinnerungen aus der Perspektive der Täter an sich und Ihresgleichen. Auf der Seite der unmittelbaren Täter blieb, bis zu deren Ableben, das Schweigen und der Versuch der Erleichterung im Vergessen. Ihre Erinnerungskonstruktion ist von Scham und Schamabwehr geprägt. Die Täter des Holocaust nahmen ihre Erinnerungen mit ins Grab. Damit übertrugen sie die Last ihrer unverarbeiteten Schuld auf ihre Nachfahren. Die Auseinandersetzung mit der Schuld, die in den siebziger und achtziger Jahren noch durch Konfrontation und Abwehr ausgelagert wurde, wird von der nachfolgenden zweiten und dritten Generation wiederentdeckt. Diese geht offensiver mit der Beteiligung ihrer Vorfahren am Holocaust als Teil ihrer Familiengeschichte um und sieht sich in besonderer Verantwortung für eine Aufarbeitung, damit Ähnliches sich nicht wiederhole. 

Vergangenheit, die nicht vergeht

Aleida Assman verwendet den Begriff der „postheroischen Erinnerung“ die eine ethische Wende in der Erinnerung bedeutet habe. Mit der Holocausterinnerung sei eine neue Phase der Wertschätzung  der Opfer eingeleitet worden, die einen neuen Zugang zur Gewaltdimension der Geschichte eröffnet und schließlich in eine Konkurrenz um die Opferrolle gemündet habe. „Der Begriff postheroisch kann aber auch für eine Entmoralisierung des Erinnerungsdiskurses stehen. Das universale Bild für diesen Bann einer Vergangenheit, ‚die nicht vergeht’, ist der Schatten. Wenn wir fragen, wie lange dieser Schatten wohl noch anhält, finden wir darauf eine Antwort bei Friedrich Nietzsche: Was nicht aufhört weh zu tun, bleibt im Gedächtnis“.   Dieser Satz gelte besonders für die Opfer, und sei das Maß der Erinnerung. Was die Opfer nicht vergessen könnten, das dürften auch die Nachkommen der Täter nicht vergessen.
(vgl. Assmann: Der lange Schatten der Vergangenheit, Beck 2006 Lizenz Bundeszentrale für Politische Bildung 2007 S.: 277-79)


LL i t e r a t u r q u e l l e n   

   
           
     


Geschichte der Erinnerungskultur in Israel
von 1933 bis Heute


Seit der Staatsgründung Israels bis heute haben der Holocaust und die Ermordung von sechs Millionen Juden einen großen Einfluss auf das Israelische kollektive Bewusstsein. In den letzten Jahren gab es zahlreiche Veröffentlichungen zu der Erinnerungskultur des Holocaustsund den Einfluss auf die Israelische Gesellschaft wie z.B. „Die Siebte Millionen“ von Tom Segev. Im folgenden wird die Geschichte der Erinnerungskultur in drei Stadien unterteilt:

1933-1948

Die unter Britischen Mandat lebenden Juden in Palästina waren zum größten Teil mit eigenen schwerwiegenden Problemen konfrontiert, wie die Gründung von Jüdischen Nachbarschaften, Sicherheit, Arbeitslosigkeit und Jüdischer Immigration und fühlten sich gegenüber den Machenschaften der Nazis in Europa hilflos. Die Beziehung zwischen ihnen und den nach 1945 emigrierten Holocaustüberlebenden waren von Anfang an schwierig und von Vorwürfen
gekennzeichnet. Die Überlebenden einerseits machten den in Palästina lebenden Juden den Vorwurf, nicht genug für die Rettung der Juden in Europa getan zu haben und wurden anderseits mit der harschen Kritik konfrontiert, dass sich die Europäischen Juden widerstandslos hätten abschlachten lassen. Die Zeugnisse über Erlebtes in Nazi-Europa waren unfassbar und schon bald kam es zu einer stillschweigenden Vereinbarung, es sei desto besser, je weniger man über den Holocaust rede. Lieber nahm man Bezug zu Jüdischen Heldentaten wie dem Warschauer Ghetto Aufstand, zu dessen Erinnerung gleich zu Anfang ein Kibbuz bei Akko gegründet wurde.

1948-1958

Auf der politischen Ebene fand der Holocaust seine Berechtigung als Legitimation eines Jüdischen Staates und die damit verbundene juristische und moralische Basis für Wiedergutmachungszahlungen aus Deutschland, die für die ökonomische Situation des jungen Staates Israels von Nöten war. Auf der sozialen und persönlichen Ebene wurde der Holocaust verschwiegen und die Überlebenden mehr oder weniger in eine neue Identität gezwungen, die mehr den damaligen Idealen des „starken zionistischen Israelis“ entsprachen. Zudem hatte der Israelische Staat in seiner Anfangszeit kaum Möglichkeit und Zeit, sich mit den Holocaustüberlebenden auseinanderzusetzen. Erst 1950 wurde ein Gesetz zur Bestrafung
von Nazis und Nazi-Kollaborateuren erlassen, was die erste große Diskussion diesbezüglich in der Israelischen Bevölkerung auslöste. Bald daraufhin fanden Verhandlungen über Wiedergutmachungszahlungen zwischen Deutschland und Israel statt, die auf großes öffentliches Interesse und zum Teil großen Widerstand stoßen. 1954 erschütterte die Kastner- Affäre (Rudolf Kastner, ein Israeli, wurde beschuldigt, in Ungarn mit den Nazis kollaboriert zu haben – allerdings hatte er damit versucht, Juden zu retten) die Israelische Bevölkerung, was letztendlich zu Solidaritätsbekundungen und Identifikation mit den Holocaustüberlebenden führte.


1959 bis heute

Die Haltung der Israelischen Gesellschaft gegenüber dem Holocaust und dessen Überlebenden änderte sich von nun an stetig. 1959 wurde der „Holocaust-Erinnerungstag“ eingeführt, auf den jährlich in nur kurzem Abstand der „Tag zur Erinnerung von Israelischen Gefallenen“ und daraufhin der „Israelische Unabhängigkeitstag“ folgen. Während des Eichmann Prozesses (1961-1962) hatten Holocaustüberlebende erstmals die Möglichkeit, öffentlich über die Gräueltaten der Nazis zu berichten, was breit gefächerte und bis heute anhaltende Diskussionen in der Israelischen Gesellschaft entfachte.
Der Holocaust ist bis heute tief im so genannten kollektiven Bewusstsein verankert und die traumatisierenden Kriege vor Ort intensivierten die spürbare existentielle Angst der Israelis. Inzwischen wurde der Holocaust ideologisch instrumentalisiert und dient des öfteren zur Rechtfertigung von politischen Fehlentscheidungen.


Israelische Künstler und der Holocaust

In Anbetracht der Tatsache, dass der Holocaust seit der Staatsgründung einen überwältigenden Teil im politischen und kulturellen Leben in Israel einnimmt, ist es verwunderlich, dass lange Zeit der Holocaust fast gänzlich in der Israelischen Kunst unangetastet blieb. Theodor Adornos berühmter Aphorismus: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“ lag als Motto über der israelischen Kunstszene. Zwar war das Verschweigen des Holocausts problematisch, dieses Schweigen zu brechen aber noch komplizierter. Anfang der 80er Jahre, mit dem Fall der Sowjetunion und der zunehmenden
Zahl von Vergangenheitsreisen nach Osteuropa seitens Überlebenden mit ihren Familien und der Publikation von vielen Zeitzeugnissen, bekam der Holocaust autobiografische Gesichtszüge. Mit der zunehmenden Bereitschaft in Israel, die Wunden neu zu öffnen, griffen mehr und mehr junge Künstler der zweiten Generation von Holocaustüberlebenden das weit gefächerte, kontroverse und komplizierte Thema „Shoa“ auf. Dies ist ein Zeichen, dass die Israelische Gesellschaft nicht länger als eine Einheit operiert und Kunst nicht mehr als repräsentative Auffassung verstanden wird. Die Einheit wurde in eine Vielzahl von persönlichen, individuellen, tief greifenden, dynamischen, konfliktreichen und widersprüchlichen Stimmen unterteilt.


So gibt es – jedoch aus unterschiedlichen Gründen – durchaus Parallelen zwischen dem Umgang mit dem Holocaust zwischen den Ländern Deutschland und Israel.


   
           
     


Der Umgang der Stadt Nürnberg mit dem Reichsparteitagsgelände

Nach 1945 waren die meisten Nürnbergerinnen und Nürnberger mit der Bewältigung ihrer privaten sozialen Situation beschäftigt. Eine kritische Reflexion der Nazi-Herrschaft und der Funktion der Reichsparteitage wurde durch Selbstmitleid und neue Feindbilder im sich rasch abzeichnenden Kalten Krieg verdrängt.

In einem Teil des ehemaligen SA-Lagers internierte die US-Armee führende NSDAP- und SS Mitglieder. Ab 1946 gab sie die Verwaltung dieses Civil Internment Camps an die deutschen Behörden ab. 1949 wurde das Lager zu einer Wohnsiedlung für Flüchtlinge umgestaltet. Die Kongresshalle wurde 1945 schamgesichtig in „Ausstellungsrundbau“ umbenannt, 1949 fand auf der Großen Straße die erste Deutsche Bauausstellung statt, „um zur Wiederherstellung des Namens der Stadt Nürnberg, der durch die politischen Ereignisse der letzten Jahren den Ansehen der Welt erheblich gelitten hat“, beizutragen. Im Juli 1950 feierte die Stadt Nürnberg ihr 900-Stadtjubiläum am selben Ort; 1953 hielten die Oberschlesier, 1955 die Sudetendeutschen Landmannschaften ihr Bundestreffen auf dem Zeppelinsfeld ab. In den Folgejahren wurden die unterschiedlichsten Pläne und Ideen geäußert. Vom Fußballstadium oder Autokino über ein Einkaufzentrum bis hin zu einem Altersheim mit Terrassencafe gab es keine profanen Nutzungsmöglichkeit, die nicht ihre Anhänger fand. Letztendlich entschied sich der Stadtrat 1959 für die kostengünstige Lösung, die Kongresshalle an Firmen zu vermieten.

Auch esoterisch anmutende Vorschläge wie die Schaffung eines multifunktionalen Gewächshauses oder die Umwidmung der Großen Straße in eine Friedensallee wurden diskutiert und verworfen. Ein Autorennen und das Nürnberger Volkfest ( mit wet- t-shirt-contest und Männer-Strip) findet dagegen jährlich auf dem Gelände statt. Erst 1977 edierte die Nürnberger Stadtverwaltung erstmals eine kleine Informationsbroschüre über das RPTG, welches seit 1973 unter Denkmalschutz steht.

1984 endlich wurde die Dauerausstellung  „Faszination Gewalt“ unter der Zeppelintribüne veranstaltet. Da diese Ausstellung auf erhebliches Interesse stieß, jedoch recht kärglich anmutete, wurde schließlich am 4. November 2001 das internationale beachtete Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände eingeweiht.

   
           
     

Der Workshop

Als erster Schritt, das Reichsparteitagsgelände und hierbei speziell das Kolosseum angemessen zu gestalten, soll im Herbst 2011 ein zehntägiger Workshop mit fünf israelischen und fünf hiesigen KünstlerInnen sowie zwei Historikern stattfinden. Hierbei soll – aus natürlich unterschiedlichen Perspektiven - ein konkretes Konzept für einen historisch-künstlerischen Umgang mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände entwickelt werden. Das Konzept soll Interessierten und Verantwortlichen der Stadt Nürnberg als Angebot übergeben werden. Das deutsch - israelische Institut für Geschichte und Zeitgenössische Kunst Nürnberg ist Initiator dieser Aktion. Zugrunde liegendes Motiv ist die Umsetzung des einstimmigen Beschlusses der Stadt Nürnberg von 2003, mit künstlerischen Strategien gestaltend auf das Gelände einzuwirken.

Kriterien einer Kunstaktion auf dem RPTG:

1. Ortsspezifik :

Die Besonderheiten des Ortes mit den Dimensionen seiner Geschichte und der heutigen Bedeutung für Nürnberg sollen grundsätzlicher Gegenstand der künstlerischen Auseinandersetzung sein. Darum wird eng mit Historikern und anderen Organisationen „vor Ort“ zusammengearbeitet. Es sollen wichtige Organisationen wie die israelitische Kultusgemeinde, das Museum Reichsparteitagsgelände, die hiesigen Parteien wie Gewerkschaften sowie sonstige Nichtregierungsorganisationen einbezogen werden.

2. Temporäre Formate:

 Es sollen Angebote für temporäre Kunstwerke gemacht werden. Den ursprünglichen Plänen des Geländes, das für die Ewigkeit gebaut werden sollte, sowie den überfrachteten ehrgeizigen Dimensionen der Architekturen sollen Formen jenseits neuerlicher Mystifizierungen und Monumentalisierungen entgegenstehen.

3. Beteiligung:

Die künstlerischen Angebote sollen die Bevölkerung in die Prozesse der Auseinandersetzung mit den historischen und aktuellen Gegebenheiten so einbeziehen, dass die Passanten und Besucher des Geländes an den gestalterischen Interventionen auf dem Gelände partizipieren und diese im besten Falle selbst entwickeln.

4. Prozessorientiert:

 Die Kunstwerke sollen im öffentlichen Raum frei zugänglich sein und dort einen Prozess der Auseinandersetzung in Gang setzen. Sie sollen die Auseinandersetzung mit dem Gelände nicht hermetisch bestimmen sondern so initiieren, dass neue Freiräume des Denkens und Erkennens geschaffen werden. Der kreative Prozess, findet als work in process im Dialog mit den Besuchern statt.

5. Interdisziplinär:

Die künstlerischen Strategien sollen das Wissen und die Vorgehensweise anderer Disziplinen integrieren. Es soll mit der Kunst eine Nähe zum alltäglichen Leben in Nürnberg entstehen.

© Deutsch Israelisches Institut für Geschichte und Zeitgenössische Kunst 2011

   
           
           
    © DIIGzK letzter Eintrag 26.09.2011                                                                                                                                          verein             spende            impressum